Allianz: Streit um Firmenpolitik oder: Wann hören die Gesellschaften endlich wieder auf Ihren Vertrieb?

Aufstand der Allianzvertreter

von Herbert Fromme

Die Vertreter fühlen sich vom Management im Stich gelassen. Im Preiskrieg der Autoversicherer macht der Konzerntarif sie oft chancenlos. Als sich die Allianzspitze auch noch über sie beschwert, wird ihr Ärger zur Wut.Stets mit Krawatte, stets bereit zum Vertragsabschluss, aber ansonsten eher ruhig und nicht bekannt für besondere Aufmüpfigkeit: Versicherungsvertreter gehören eher zu den unspektakulären Berufsgruppen. Der Allianz gelingt es allerdings immer öfter, die 10.500 selbstständigen Vertreter in Deutschland derart in Wallung zu bringen, dass in der Münchener Königinstraße fast ein Volksaufstand droht.

Diesmal vermochten das die Vorstände Thomas Fischer und Karl-Walter Gutberlet. In einer E-Mail vom 1. Dezember 2008 erinnerten sie die Vertriebstruppe daran, dass der „Treuerabatt“ – im internen Jargon KonTaFlex genannt – von bis zu 25 Prozent für abwanderungswillige Kunden nur gewährt werden dürfe, wenn es „ein schriftliches Konkurrenzangebot bzw. schriftliche Kündigungserklärung“ des Kunden gebe. „Schlichter Ausdruck . . . aus dem Internet oder telefonische Kündigungsdrohung reichen nicht aus.“ Außerdem müsse der Kunde oder sein Partner mindestens einen weiteren Vertrag haben und die Gesamtschadenquote unter 65 Prozent liegen. „Bitte beachten Sie, dass bei Nichterfüllung dieser Kriterien eine nachträgliche Belastung ihres KonTaFlex-Kontos erfolgen wird“, schreiben Fischer und Gutberlet – und setzen noch eins drauf. „Für echte Missbrauchsfälle behalten wir uns . . . weitere Schritte vor.“

Die Reaktion war prompt. In Dutzenden von E-Mails, die der FTD vorliegen, beschwerten sich Vertreter. „Weit überteuerter Kfz-Tarif“, schreibt einer. „Wenn Sie den Außendienst nicht mehr wollen, Sie brauchen mir das nur zu sagen“, schreibt ein anderer. Oder: „Und dann noch so ein Schreiben unter der Annahme, wir würden Rabatte verschleudern. Was soll das?“

Die Allianz-Führung verliere Milliarden beim Verkauf der Dresdner Bank, sei aber nicht mehr in der Lage, „Realitäten zu erkennen und marktgerecht darauf zu reagieren (Kfz-Tarif)“. Weiter: „Dass man dann auch noch arrogante Mails lesen muss, bei denen man sich vorkommt wie ein Verbrecher, ist eine Frechheit.“ Die Allianz hat ein Problem. Seit Jahren sinken die Preise in der Autoversicherung, seit Jahren verliert der Marktführer Marktanteile. Jetzt will der Konzern das Unmögliche: Er erhöht die Preise, will aber die Kunden halten. Dazu kommt der Internetanbieter Allianz24, der billiger ist als die Vertreter. Um den Widerspruch zwischen dekretierter Preiserhöhung und Marktrealität zu dämpfen, hat das Management jedem Vertreter ein Kontingent an Sonderrabatten zugeteilt. „Ein treuer Kunde bekommt den Preisbrief der Allianz, ist verärgert, recherchiert im Internet auf check24.de und wird auf die Allianz24 aufmerksam“, schreibt ein Vertreter. Trotz Preisnachlasses durch KonTaFlex sei er immer noch 215 Euro teurer als die Allianz24. „Nach 35 Jahren bei der Allianz habe ich resigniert“, sagt ein frustrierter Vertriebler. Die örtliche Volksbank suche sich die Lastschriften heraus, auf denen Kunden an die Allianz zahlen, und rufe sie an. „Sie sind bei der Allianz versichert. Das machen wir billiger.“ Ein anderer schildert den Fall eines Firmenkunden mit 100.000 Euro Bestand, der für seinen Privat-Pkw von der Allianz eine Erhöhung von 1400 Euro auf 1850 Euro erhielt. „Die Versicherungskammer Bayern nimmt dafür 930 Euro. “

Sogar der Mitarbeitertarif der Allianz sei inzwischen weit von Wettbewerbern entfernt. „Was krankt, ist die Spitze“, bemerkt der Mann. „Sie kann’s nicht und tut’s deshalb wohl auch nicht.“ Ein Agenturinhaber zählte „vierzig Anrufe von aufgebrachten Kunden täglich“. Sie wollten wissen, warum die Allianz 200 Euro und mehr über Billiganbietern liege. Mit Service lasse sich die Differenz nicht begründen. „Ein Schaden dauert Monate bis zur Regulierung“, heißt es, „und dann wird auch noch der falsche Betrag überwiesen.“

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