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Krankenversicherung

Einsparungen bei Hilfsmitteln auf Kosten der Patienten

Immer mehr Krankenkassen schließen eigene Verträge mit Lieferanten oder Herstellern von Hilfsmitteln. Dabei spielt vor allem der Preis eine wesentliche Rolle, die Kassen erhoffen sich Einsparungen von vielen Millionen Euro. Für die Versicherten bedeuten diese Verträge, dass sie nicht mehr selbst auswählen können, woher sie ihre Hilfsmittel beziehen – und nicht immer stimmt die Qualität.

 Fritz Holfeld, der seit vielen Jahren seine Frau pflegt, ist eigentlich ein geduldiger Mensch. Mittlerweile hat ihn aber die Wut auf die Krankenkasse gepackt. Es geht um Hilfsmittel, auf die seine Frau angewiesen ist. Die Versorgung mit diesen Produkten hat die Kasse an einen einzigen Lieferanten vergeben, der Versicherte hat dabei nichts zu sagen. Und das hat Folgen, selbst auf die einfache telefonische Anfrage, welche Produkte überhaupt zur Verfügung stehen, habe man keine Auskunft geben können, sagt Fritz Holfeld. Später gelieferte Muster stellten sich als unbrauchbar heraus: Regelrechte Raschelpakete für Inkontinenz-Patienten, kaum zu tragen, da zu hören ist, was man unter der Wäsche anhat.

Preis vor Qualität?

Über die gelieferte Qualität wundert sich Holfeld allerdings nicht, gerade einmal 30,- € erhält der Lieferant im Monat. Eine Inkontinenzversorgung für diesen Betrag sei schlechterdings unmöglich, wie er findet. Seine Frau habe einen Bedarf zwischen 100,- und 150,- € monatlich. Das sieht die Krankenkasse allerdings anders. Sie glaubt an günstige Preise durch Großeinkauf – in guter Qualität. Susanne Uhrig, Pressesprecherin bei der Barmer Ersatzkasse, erklärt, dass bei der Ausschreibung die Lieferung besonderer Qualität explizit festgeschrieben worden sei. PLUSMINUS liegen die Ausschreibungsunterlagen vor: Zu 75 Prozent zählt der Preis. Über die Qualität der Produkte heißt es, dass sie „den an sie zu stellenden Anforderungen entsprechen [müssen]“. Vor dem Sozialgericht klagt Fritz Holfeld inzwischen gegen seine Krankenkasse. Er fühlt sich nicht ernst genommen und ausgeliefert.

Sinkende Gesamtqualität bei Hilfsmitteln

Sparen auf Kosten der Patienten: Betroffene berichten über lange Wartezeiten, Falschlieferung und schlechte Qualität. In einem anderen Fall verlangte ein Lieferant von einer Patientin 60,- € Zuzahlung – vorher waren die Produkte besser und zwar ohne Zuzahlung. Martin Danner von der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe sieht die Gefahr bei den Ausschreibungen und Einzelverträgen, dass vor allem die Versorger das Rennen machten, die primär auf den Preis schauten und nicht hinreichend auf die Qualität. Andere, die eigentlich gute Versorgung anbieten könnten, würden so vom Markt gedrängt, was insgesamt das Versorgungsniveau senke.

Billig gewinnt, heißt die Devise, auch bei Produkten, die individuell angepasst werden müssen. Helma Winter beispielsweise hat nachts immer wieder Atemaussetzer und soll deshalb mit einem speziellen Gerät schlafen. Das hat ihr ein Vertragspartner ihrer Kasse gebracht. Nach zehn Minuten und einer kurzen Erklärung war er wieder weg. Früher erfolgte die Anpassung dagegen im Krankenhaus, die passenden Geräte bekamen Patienten gleich mit. Bei Helma Winter steht der Apparat nun seit Wochen in der Ecke. Der Vertragspartner war zwar noch einmal da, doch nur, um die Maske zu tauschen. Die Versicherte fühlt sich allein gelassen.

Gesundheitskosten unterm Strich größer

Solche Probleme betreffen nicht nur die einzelnen Patienten, sondern letztlich auch die Gemeinschaft der Versicherten, warnt Dr. Beate Faust-Herzog, Chefärztin im Schlaflabor des Kreiskrankenhauses Kirchberg: Wenn Patienten die Geräte nicht verwenden, nehmen auch Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt zu. Mit Kosten, die die eingesparten Beträge bei weitem übersteigen.

Bei der AOK Plus sieht man das Problem einer mangelnden Beratung nicht. Pressesprecherin Hannelore Strobel erklärt, dass man Verträge mit Partnern geschlossen habe, deren Geräte sowohl den von der Kasse geforderten Qualitätsstandards entsprächen als auch ein günstiges Preisniveau hätten – und die mit Fachkräften agierten, die sehr wohl die Beratung leisten könnten und in der Regel auch richtig gut leisteten.

Weitere Hilfsmittel im Kostenvisier

Jetzt nehmen die Kassen weitere Hilfsmittel ins Visier und versuchen, bei den Rollstühlen Geld zu sparen. Die freie Wahl haben viele Versicherte schon heute nicht mehr. Christin Dammann, die an Multipler Sklerose leidet, erhielt im Februar 2007 einen Elektro-Rollstuhl nicht vom gewohnten Sanitätshaus, sondern vom Kooperationspartner ihrer Krankenkasse. Das erste Modell passte nicht zu ihrer Körpergröße, aber auch mit dem Ersatz kommt sie schwer zurecht. Sie hatte sogar einen Unfall, als sie an einer Türfüllung hängen blieb. Da bei diesem Rollstuhl ein Gurt fehlt, fiel sie nach vorn heraus, der Stuhl stürzte dann noch auf sie. Nach 20 Minuten befreite sie ein Nachbar aus dieser Lage.

In den kommenden Monaten werden die Kassen systematisch alle Ausgaben für Hilfsmittel durchforsten. Da wartet sicher noch weiterer Ärger. Patienten, die bei ihrer Kasse kein Gehör finden, können sich beim Sozialministerium des jeweiligen Bundeslandes (AOKen) oder beim Bundesversicherungsamt (Ersatzkassen) beschweren.

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